Rosebuds booklet
Die Ausstellung wurde von einer Publikation begleitet, in der alle Teilnehmenden in wenigen Worten ein oder mehrere Objekte vorstellten, die in der Ausstellung gezeigt wurden.
Von mir kam ein Text über den Zerrspiegel und das Verhältnis von Selfies, einfachen Bildbearbeitungseffekten und Malerei des Manierismus. Ein zweiter Text setzt Form und Gebrauch von Schiefertafeln mit Tablets ins Verhältnis.
Der gewölbte Spiegel, der um die Ecke sehen lässt, macht den Straßenverkehrs sicherer oder im Kaufhaus viel Raum überschaubar. In diesen Vergrößerungen erfolgen die Verzerrungen der Bildgegenstände. Willkommen im Spiegelkabinett – nudeldick oder spargellang. Der Maler Parmigianino ist für nichts so bekannt wie sein kleines rundes Selbstporträt aus dem Jahre 1524, verzerrt durch einen Konvexspiegel. Man sieht vorne im Bild eine enorm große Hand, von der das Bild gerade gemalt wird. Die Verfeinerungen der malerischen Technik und der Hang zum Narzissmus zur Kunst Manierismus wurden genannt. Heute noch kann man staunend vor diesem kleinen Bild stehen und von sich selbst daneben ein Selfie machen. Das Smartphone kann das Foto krümmen, biegen, konkav oder konvex verzerren. Das Spiegelkabinett für die Hosentasche. Und wenn ich mir das digitale Gitternetz vor Augen führe, mit dem Gesichter aufgebläht und wie Gummibälle gequetscht werden können, denke ich an die perspective curieux als Beweis der Meisterschaft des künstlerischen Könnens, mit der man einfach niemanden mehr beeindrucken kann, und Parmigianino tut mir ein wenig leid.
Denken wir uns ein in deutsche Klassenzimmer von vor hundert Jahren oder in die irgendeiner entlegenen heutigen chinesischen Provinz. Die Kinder haben kleine Geräte irgendwo zwischen den Normformaten DIN A4 und DIN B5, eine schwarze glatte Fläche, auf denen man per Hand und mit einem Griffel notiert und übt. Sie sind klein, handlich, für jede Tasche, jeden Ranzen geeignet, schwarz und glatt. Sie werden beschrieben, mit Informationen befüllt, die mit einer Handbewegung weggewischt werden können. Sie kommen ohne ein Interface wie Tastatur oder Mouse aus. Diese kleinen schwarzen Spiegel sind aus geschliffenem Schiefergestein und ähneln einem Tablet PC mehr als jedes Transistorradio von Dieter Rams irgendeinem MP3-Player. Sie sind in ihrer Haptik und Handhabung Tablet-PCs so ähnlich, dass ich mich immer wundere, wenn von deren kinderleichten und intuitiven Nutzung gesprochen wird, niemand anmerkt, dass diese digitalen Brettchen, bei denen sich viele jüngste Nutzer gar nicht mehr dessen bewusst sind, dass sie gerade einen Computer verwenden, immer noch aussehen wie kleine Schultafeln. Und bis heute sind Tafeln Orte für Notizen, Übungen oder Präsentation. Wandtafeln präsentieren das große Tafelbild, auf die kleinen Tafeln kommen die Notizen und Übungen der Lernenden. Wenn die Tafeln weiss geworden sein werden, ändert sich daran nicht viel. Die Tafelbilder kommen von der Wand in die individuellen Geräte. Man muss es nicht einmal mehr selbst abschreiben.