The Surveyor
In seiner Person und Biografie symbolisch für die Widersprüche des kalten Krieges ist auch der englische Kunsthistoriker und Doppelagent Anthony Frederick Blunt (1907-1983). Mit ihm setzt sich Fabian Reimann in der mehrteiligen Installation The Surveyor auseinander. Der Titel verweist auf Blunts Tätigkeit als Direktor der Queen’s Gallery, der königlichen Gemäldesammlung. Als Professor für Kunstgeschichte an den Universitäten London und Oxford schreibt er ein wichtiges Buch über Poussin, worauf Reimans Werk Poussin Lecture“ zielt. Trotz seiner Versenkung in die schönen Künste bewahrt Blunt sich ein scharfes Auge für die Widersprüche seiner Zeit. Sie führen ihn als Student in Cambridge zum Marxismus. In den dreißiger Jahren entschließt er sich, wegen der passiven Haltung seines Landes gegenüber dem Faschismus als Spion für die Sowjetunion zu arbeiten. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wird er zum Doppelagenten. Eine Existenzform, wie sie schwieriger nicht sein könnte, und deren Schizophrenie Reimanns Doppelbelichtung One Second Distance illuminiert. In den sechziger Jahren wird Blunt enttarnt. In seinen später veröffentlichten Verhörakten, die Fabian Reimanns Karbonzeichnungen dokumentieren, werden die Fakten eingeschwärzt. Somit bleiben Blunts wirkliche Beweggründe ein blinder Fleck für die Projektionen des Betrachters.
Michael Stöber
2011